Als Führungskraft oder Personaler mit dem Employer Branding allein gelassen?

von | 07.11.2019

Mit „Frag zeitsprung“ führen wir eine neue Rubrik in unserem Blog ein: an jedem ersten Montag des Monats beantworten wir Deine Fragen rund ums Unternehmen. Ob es um Führung, Kommunikation, Motivation, Neugier & Innovation oder um Employer Branding geht – Du schickst uns Deine brennende Frage an info@zeitsprung-c2.de Wir greifen sie in unserem Blog auf.

In einem unserer letzten Seminare hat mir Jenny Richter folgende Frage gestellt:

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Employer Branding ohne Strategie?

„Ich bin seit 2 Jahren Personalerin in einem mittelständischen, international agierenden Unternehmen. Unsere Unternehmenskultur ist geprägt durch flache Strukturen. Ich habe viele Freiheiten, meine Position auszufüllen und fühle mich im Unternehmen sehr wohl.
Einen Punkt empfinde ich dennoch als schwierig: Mir ist das Thema Employer Branding sehr wichtig, allerdings gibt es in unserem Unternehmen keine klare strategische Ausrichtung und deshalb auch unklare Ziele für die Personalentwicklung. Was kann ich tun, um die Entwicklung einer starken Arbeitgebermarke auch ohne konkrete strategische Ausrichtung des Unternehmens voranzutreiben?“

zeitsprung antwortet:

Liebe Jenny, wie schon im Workshop besprochen, greifen wir Deine Frage gerne in unserem Blog auf, da sie zu den am häufigsten gestellten Fragen gehört und übrigens nicht nur das Employer Branding betrifft.

Wir stellen Dir im Folgenden 2 Möglichkeiten vor, wie Du Deine Fragestellung angehen könntest:

Möglichkeit 1

Hol die Chefetage ins Boot

Möglichkeit 2

Der Effectuation-Ansatz

1. Möglichkeit: Hol die Chefetage ins Boot

Die größte positive Wirkkraft wirst Du erreichen, wenn es Die gelingt, die Geschäftsleitung mit ins Boot zu holen und ihr das nachfolgend beschriebene Modell der Organisationsentwicklung nach Glasl vorzustellen. Wir haben damit beste Erfahrungen gemacht, weil Entscheidungsträgern sehr schnell klar wird, dass das Employer Branding nur im Gesamtzusammenhang gesehen werden kann und nicht als separiertes Element.

Du – und auch Deine Geschäftsleitung – erhaltet so sehr schnell einen ganzheitlichen, systemischen Blick auf das Unternehmen. Das Modell bietet die Möglichkeit, alle Elemente des Unternehmens und deren Beziehungen zueinander zu erfassen.

Menschen sind zufrieden, motiviert und bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn ein entsprechender Rahmen geschaffen wird.

Diesen Rahmen können die 7 Wesenselemente aus dem OE-Modell nach Glasl geben. Wenn Du diese mit Leben füllst, schaffst Du gute Voraussetzungen, um Mitarbeiter anzuziehen und auch zu binden. Bezogen auf das Employer Branding findest Du unter der Grafik mögliche Fragen zu jedem einzelnen Element, die für eine hohe Mitarbeiter-Attraktivität Deines Unternehmens bedeutend sind.

Trigon und Syst Modell

Menschen

  • Wie gestaltet sich das soziale Miteinander, die Beziehungen der Mitarbeiter untereinander?
  • Wie ist die Art und Weise des Umgangs zwischen den einzelnen Hierarchieebenen?
  • Wie sieht die Kultur in Deinem Unternehmen aus? Welche Freiräume für Entwicklung bietet Deine Kultur?

Strategie

  • Wie sieht die strategische Ausrichtung Deines Unternehmens aus?
  • Welche zukunftsbezogenen Perspektiven bietest Du Deinen Mitarbeitern?

Identität

  • Was ist die Mission/Vision Deines Unternehmens?
  • Welchen Sinn macht es für Mitarbeiter, in Deinem Unternehmen zu arbeiten? Wie können sich Deine Mitarbeiter verwirklichen?

Funktionen

  • Wie beschreibst Du die Aufgaben, die Deine Mitarbeiter zu erfüllen haben?
  • Inwieweit entsprechen die Aufgaben den Kompetenzen Deiner Mitarbeiter?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten bietest Du?

Strukturen

  • Wie ist Dein Unternehmen aufgebaut?
  • Welche Strukturen gibt es? Welche Rolle spielen Hierarchien bei Dir?
  • Welche Räume gibt es für ein sinnvolles Talentmanagement?

Abläufe/Prozesse

  • Wie gut funktioniert das Miteinander zwischen verschiedenen Abteilungen in Deinem Unternehmen?
  • Inwiefern sind reibungslose Abläufe sichergestellt, die die Zufriedenheit Deiner Mitarbeiter wachsen lassen?

Physische Mittel

  • Wie ist es um die Ausstattung bestellt? Dieser Punkt umfasst die Gestaltung der Räumlichkeiten – welche Möglichkeiten gibt es hier für einen Austausch und für Entwicklung?

Nimm einen Perspektivenwechsel vor: Versetz Dich gemeinsam mit Deinem Geschäftsführer in die Lage Deiner Mitarbeiter und mach Dir Stichpunkte zu jeder Frage oder zu Deinen Schwerpunkten, die Dir vielleicht schon ins Auge gefallen sind. So erhältst Du schnell einen Überblick über das, was bereits gut läuft und die Dinge, an denen Du in der Zukunft weiterarbeiten willst. Gut geeignet sind hier aus unserer Sicht Tabellen.

Für das erste Wesenselement, die „Kultur“, könnte eine solche Tabelle folgendermaßen aussehen:

Employer Branding: Wesenselement Kultur

2. Möglichkeit: Der Effectuation-Ansatz

Sollte es Dir nicht gelingen, die Unternehmensführung mit ins Boot zu holen, bleibt Dir dennoch die Möglichkeit, innerhalb Deiner Gestaltungsspielräume – die ja nach Deiner Aussage groß sind – das Feld des Employer Branding auszufüllen.

Hilfreich kann hier der Effectuation-Ansatz sein. Lass mich kurz erläutern, was sich dahinter verbirgt.

Effectuation – was ist das?

Effectuation ist eine auf Grundlage einer Studie der Kognitionswissenschaftlerin Dr. Saras Sarasvathy entwickelte Methode unternehmerischer Expertise.

Ausgangsbedingungen für die Anwendung des Effectuation-Prinzips sind insbesondere unsichere, sich schnell wandelnde äußere Bedingungen. Die Methode wurde zur Grundlage vieler Start-ups, hält aber zunehmend auch in etablierten Unternehmen Einzug. Einer der führenden Vertreter des Effectuation-Ansatzes im deutschsprachigen Raum ist Michael Faschingbauer.

Effectuation bei Restriktionen

Wir halten die Methode auch für restriktive Bedingungen geeignet: Situationen, in denen die gewünschten Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, Du aber dennoch Projekte gut auf den Weg bringen möchtest. Wenn es Dir also nicht gelingt, Deine Geschäftsleitung von der Erarbeitung einer Employer Branding-Strategie unter Einbeziehung des systemischen OE-Modells zu überzeugen, kann Effectuation ein guter Ansatz sein, Dein Employer Branding trotzdem gut auf den Weg zu bringen.

Wie sieht die Anwendung von Effectuation aus?

Sarasvathy unterscheidet zwischen kausaler Logik und dem Effectuation-Ansatz.

  • Bei der kausalen Logik wird ein Ziel bestimmt und dann wird überlegt, wie dieses erreicht werden kann.
  • Im Effectuation-Prozess hingegen wird geschaut, welche Mittel zur Verfügung stehen und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.

Die folgenden Kriterien sprechen für einen Effectuation-Ansatz:

  1. Die Basis für eine gültige Prognose der Zukunft fehlt
  2. Ziele sind verhandelbar, d.h., sie werden gemeinsam mit anderen kreiert, verhandelt & vereinbart
  3. Die Umwelt ist gestaltbar, d.h. sie ist abhängig von dem, was wir und andere tun. [1]

Die Voraussetzungen 1 – 3 sind aus unserer Sicht in Deinem Fall für Dein Employer Branding gegeben:

  1. Dir fehlt eine klare strategische Ausrichtung des Unternehmens und damit auch die Ziele für Deinen Bereich
  2. Du kannst aufgrund Deines breiten Handlungsspielraumes gemeinsam mit anderen Menschen im Unternehmen am Employer Branding arbeiten
  3. Du hast so die Möglichkeit, das Umfeld gemäß den gegebenen Bedingungen zu gestalten

Und so kannst Du vorgehen:
Die vier Effectuation-Prinzipien im Employer Branding

1. Prinzip

Mittel- statt Ziel­orientierung

2. Prinzip

Leistbarer Verlust statt erwarteter Ertrag

3. Prinzip

Umstände und Zufälle nutzen statt vermeiden

4. Prinzip

Partner­schaften statt Konkurrenz

1. Prinzip: Mittel- statt Zielorientierung

Effectuation fokussiert auf die zur Verfügung stehenden Mittel. Diese werden durch die folgenden Fragen deutlich gemacht:

  • Wer bin ich?
  • Was weiß ich?
  • Wen kenne ich?

Aus den Antworten erschließen sich Dir Deine Handlungsschritte.

Bezogen auf Dein Employer Branding könnten die Fragen folgendermaßen aussehen:

  • Was zeichnet Dich als attraktiven Arbeitgeber schon heute aus?
  • Über welches Wissen/welche Kompetenzen in Bezug auf Dein Employer Branding verfügst Du?
  • Wie sieht Dein Netzwerk aus? Wen kannst Du einbeziehen / um Unterstützung bitten?

2. Prinzip: Leistbarer Verlust statt erwarteter Ertrag

Kausale Logik orientiert sich am erwarteten Ertrag. Man wählt Ziele aus, die den besten Ertrag versprechen. Effectuation orientiert sich hingegen am leistbaren Einsatz oder Verlust. Da sich in einer ungewissen Zukunft keine Erträge vorhersagen lassen, sollte man nur das aufs Spiel setzen, was man zu verlieren bereit ist.

Hilfreich sind die folgenden Fragen, die Du an dieser Stelle beantworten kannst:

  • Wieviel an Energie & Zeit bist Du bereit zu investieren, auch auf die Gefahr hin, dass Projekte scheitern?
  • Welche Projekte liegen Dir besonders am Herzen?
  • Wo willst Du investieren?

Nimm Dir wieder ein paar Minuten Zeit und mach Dir zur Beantwortung der Frage Stichpunkte.

3. Prinzip der Effectuation: Umstände und Zufälle nutzen statt vermeiden

Nach kausaler Logik gilt es, den Zufall auszuschließen, denn Überraschungen gefährden die Zielerreichung. Effectuation sieht den Zufall als Partner: Es gilt, Überraschungen in Chancen zu verwandeln und Nutzen aus dem Ungeplanten zu ziehen.

Welche Zufälle haben sich in den letzten Wochen oder Monaten im Hinblick auf Deine Vorhaben ergeben?
Wie kannst Du diese sinnvoll nutzen um weiter voranzukommen?

4. und wichtigstes Prinzip der Effectuation: Partnerschaften statt Konkurrenz

Kausale Logik unterscheidet zwischen „den richtigen Partnern“ und grenzt sich gegen potenzielle Konkurrenz ab. Effectuation hingegen bedeutet, Partnerschaften mit denen einzugehen, die sich selbst selektieren und früh an einem noch unsicheren Vorhaben beteiligen. [2]

Wen kennst Du? Diese Frage hast Du bereits unter Punkt 1 beantwortet. Hier lohnt es sich aber, auch noch einmal zurückzublicken: Welche Kontakte aus der Vergangenheit könnten für Dich nützlich sein?
Geh mit offenen Augen durch die Welt und durch Deine Firma und nimm Menschen und Möglichkeiten wahr, mit denen Du möglicherweise kooperieren könntest.

Wir hoffen, dass die beschriebenen Ansätze hilfreich für Dich sind und stehen wie immer für Rückfragen oder zum weiteren Austausch zur Verfügung.

Zu guter Letzt noch der Link für alle, die sich noch nicht zu unserem kostenlosen Employer Branding Online-Kurs angemeldet haben.

Deine Kathrin Scheel
von zeitsprung

Quellen:

[1] Martin, Oliver, Andersch, Julia, Systemische Unternehmensberatung und OE, metaforum Abano, August 2014
[2] Michael Faschingbauer, Effectuation, Schäfer, Pöschel

Kathrin Scheel – Expertin für Organisationsentwicklung

Kathrin Scheel

Kathrin Scheel ist Management Executive Coach (ECA), Lehrcoach und Lehrtrainerin (ECA) sowie Trainerin für Führung & Entwicklung. Und sie ist Mitgründerin von zeitsprung. Ihr sind die Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern im Unternehmen sowie deren Entwicklung sehr wichtig.

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