Bedingungsloses Grundeinkommen und die Frage: Was dann?

von | 26.10.2020

Dieser Montag heute ist ein wichtiger Tag für das Bedingungslose Grundeinkommen: Der Bundestag entscheidet über die bis heute größte Online-Petition aller Zeiten: eine Petition zum Corona-Grundeinkommen. Mehr als 176.000 Menschen forderten im April 2020 vom Bundestag ein Bedingungsloses Grundeinkommen, um die Folgen der Coronakrise zu mildern. Und auch wenn diese Forderung nun schon wieder ein paar Monate her ist, ist es nicht zu spät. Denn “Dank” der zweiten Welle, die zur Zeit über das Land fegt, bräuchten viele ein solches Grundeinkommen mehr denn je.

Ich beschäftige mich persönlich schon seit einer ganzen Weile mit dem Mindset hinter dem Geld. Habe Bücher gelesen, Youtube-Videos geschaut, Onlinekurse besucht. Und finde es faszinierend, wie eng das Thema Geld mit den Fragen nach (Selbst-)motivation und Wert verknüpft ist. Das ist ja am Ende die große Frage: Was macht es mit uns, wenn wir das Geld einfach so bekommen? Bedingungslos. Nicht einmal ein kompliziertes Formular müssten wir dafür ausfüllen.

Was macht es mit uns, wenn wir das Geld einfach so bekommen?

Ja, was passiert …

Als erstes fällt mir eine Geschichte aus dem Buch “Auf der Suche nach dem verlorenen Glück” von Jean Liedloff ein, in dem sie die Geschichte von Cesar erzählt, der nicht arbeiten wollte. Er hatte einfach keine Freude an der Arbeit. Und er musste auch nicht, denn sein Freund Pepe arbeitete gern und so passte die Verabredung beiden: Cesar und seine Familie wurden von Pepe und seinem Garten mit versorgt. Es hat fünf Jahre gedauert, fünf Jahre bedingungsloser Rückenstärkung, bis Cesar in sich die Lust am Arbeiten fand.

Diese Geschichte fällt mir immer ein, wenn ich über das Bedingungslose Grundeinkommen nachdenke, denn ich glaube, dass es vielen so geht wie Cesar. Sie wissen gar nicht, dass sie gerne arbeiten würden, wenn sie es nicht mehr müssten. Wenn arbeiten vom Geld entkoppelt wäre, nicht unbedingt physisch, sondern vor allem mental.

Wer mir bei dem Thema noch einfällt, ist klar: DM-Gründer Götz Werner. Einer der großen Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommen und ich bewundere Götz Werner und seine Arbeit. Und ich liebe DM!

Über eine seiner Entscheidungen aber habe ich lange nachgedacht: Götz Werner hat 7 Kinder und er hat entschieden, sein Vermögen nicht den Kindern zu vererben, sondern es zu stiften. Die Kids sollten sich selbst beweisen, sagte er dazu.

Das ist einerseits natürlich eine schöne Entscheidung, weil das Geld in der Stiftung sicher sehr gut aufgehoben ist. Aber hier kommt der Twist, der mich nachdenklich gemacht hat: Wieso bekommen die Kids das Vermögen denn nicht? Einfach so. No strings attached.

Bedingungslos, eben.

Müssen wir etwas beweisen, um Geld zu verdienen?

Die Frage bleibt also: Wie ist es denn jetzt? Müssen wir etwas beweisen, um Geld zu verdienen? Oder anders gefragt: Würden wir uns nicht beweisen, wenn wir es nicht des Geldes wegen müssten? Brauchen wir den finanziellen Druck am Ende doch, um uns auf die Suche nach unserer Berufung zu machen?

Meine persönliche Meinung ist einfach: Nein. Ich glaube nicht, dass wir den Druck brauchen. Ich glaube, finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit sollten Grundrechte sein.

Und ich glaube vor allem, wir brauchen mehr Pepes. Menschen, die uns bedingungslos den Rücken stärken, bis wir soweit sind, zu sagen: Ich WILL arbeiten. Ich muss nicht, aber ich will. Weil ich hier auf dieser Welt bin, um zu wirken. Wir brauchen diese Pepes noch so lange, bis die Thank-God-It’s-Friday-Mentalität überwunden ist. Bis das Hamsterrad, mit dem wir uns eingegraben haben, wieder freigelegt ist und wir einer nach dem anderen aus dieser Absurdität ausgestiegen sind. Solange brauchen wir die Pepes.

Das ist unsere Aufgabe, damit unsere Kinder keine Pepes mehr brauchen, sondern selbst welche sind. Menschen nämlich, die gerne arbeiten. Die keinen Gelddruck brauchen, sondern deren Motor der Wunsch nach Selbstwirkung ist. Und wer selbstwirksam arbeitet, der wird auch gerne dafür bezahlt. Das ist meine Überzeugung.

Mehr Informationen zum Bedingungslosen Grundeinkommen und die Möglichkeit, das Projekt zu unterstützen und selbst ein Grundeinkommen zu gewinne, findest du unter meingrundeinkommen.de.

Juliane Scheel – Expertin für Organisationsentwicklung

Juliane Scheel

Juliane Scheel ist studierte Kommunikations­wissenschaftlerin (M.A. Interkulturelle Kommunikation) und arbeitet als aktive Texterin und Lektorin sowohl im wirtschaftlichen als auch im akademischen Bereich. Zudem gibt sie Seminare und Schreib­beratungen und ist damit zeitsprungs Fachfrau rund um die Themen Text und Kommunikation.

2 Kommentare

  1. Juliane, danke für den Text zur Frage „Bedingsloses Grundeinkommen“, denen ich zustimme.

    Ich habe mir die Frage gestellt, was würde sich in meinem Arbeitsleben ändern, wenn ich es bekäme. Ich würde statt 60 – 70 Stunden 40 Stunden die Woche arbeitenden und eine weitere halbe Stelle einstellen.

    So einfach ist das. Und hätte Zeit für neue Ideen, Muße, Zeit um Selbstbestimmter zu Handelnund zu leben.

    Die herrschende (Un-)Ordnung will das natürlich nicht, sie müßte sich infrage stellen, möglicherweise würden Grundpfeiler unserer gewohnten Apparate überflüssig.

    In der Tat, das „Hamsterrad“ reduziert die Zeit zum Infragestellen und daran haben die Institutionen, Bürokratien, eben alle, die von einem ungerechten Sytem profitieren, kein Interesse.

    Ich hoffe, der Bundestag befasst sich ernsthaft mit der Petition. In Anbetracht der bisherigen Äußerungen aus den Parteien bin ich da allerdings eher skeptisch.

    Die Bücher und Texte zum Thema zeugen von ermutigenden, ökonomischen, politischen, ethischen und kulturellen Argumenten und praktischen Beispielen.

    Es ist an der Zeit.

    Antworten
    • Danke für Deine Worte, lieber Jörg!

      Ja, so einfach könnte das sein: Weniger finanzielle Last, mehr Muße, mehr Raum für Kreativität und mehr Gelassenheit.

      Ich hoffe auch sehr, dass dieser erste Schritt die Debatte nochmal auf einer anderen Ebene anstößt, das wäre wohl der nächste wichtige Schritt.

      Viele liebe Grüße!

      Juliane

      Antworten

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